Portugal: Auswirkungen der Europäischen Erbrechtsverordnung auf ausländische Staatsbürger

 

Ab vergangenem Montag, den 17.08.2015, findet die Europäische Erbrechtsverordnung (Verordnung EU Nr. 650/21012 vom 4. Juli 2012, EU-ErbVO) auf ab diesem Stichtag eingetretende Todesfälle Anwendung.

Durch diese Verordnung wird in den Staaten der EU (mit Ausnahme von Dänemark, England und Irland) geregelt, welches nationale Erbrecht bei einem Todesfall mit Auslandsbezug einschlägig ist.

Bislang galt in Portugal (so wie u.a. auch in Deutschland und Österreich) das Staatsangehörigkeitsprinzip. Nach diesem Grundsatz wurde das Erbrecht des Staates angewandt, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte. Verstarb also beispielsweise ein Deutscher, Österreicher oder Schweizer in Portugal, regelte sich der Nachlass nach deutschem, österreichischem oder schweizerischem Erbrecht.

Dieser Grundsatz wird nun durch die EU-ErbVO für alle ab dem 17.08.2015 eingetretenen Erbfälle mit Auslandsbezug verdrängt.

Die gesamte Rechtsfolge von Todes wegen unterliegt im Regelfall ab diesem Tag dem Recht des Staates, in dem der Verstorbene zum Zeitpunkt des Todes seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Verstirbt also zukünftig ein Deutscher, Österreicher oder Schweizer in Portugal, kommt regelmäßig portugiesisches Erbrecht zum Tragen.

Hierbei wird der gewöhnliche Aufenthalt anhand der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes bestimmt, insbesondere sind die Dauer und die Regelmäßigkeit seines Aufenthalts im betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe zu berücksichtigen. Gefordert wird, dass eine besonders enge und feste Verbindung zu dem betreffenden Staat erkennbar ist. Ausnahmsweise kann sich jedoch auch nach der Gesamtheit der Umstände ergeben, dass der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts hatte und daher dessen Recht anzuwenden ist.

Die europäische Erbrechtsverordnung räumt dem Erblasser jedoch auch die Option einer Rechtswahl ein. Diese ist allerdings beschränkt, gewählt werden kann nur das Recht desjenigen Staates, dem der Erblasser angehörte. Im Fall mehrerer Staatsangehörigkeiten stehen die entsprechenden nationalen Erbrechte zur Auswahl.

Die Rechtswahl muss ausdrücklich im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen erfolgen, also im Regelfall durch ein Testament, oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben.

Durch die neue Rechtslage werden insbesondere dauerhaft in Portugal lebende Ausländer betroffen. Regelmäßig wird bei ihrem Versterben nun portugiesisches Erbrecht zum Zuge kommen, und nicht mehr ihr „Heimatrecht“.

Portugiesische und ausländische erbrechtliche Regelungen weisen jedoch oftmals erhebliche Unterschiede auf. So kennt etwa das portugiesische Erbrecht weder den deutschen Zugewinnausgleich im Todesfall bei Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft noch den deutschen schuldrechtlichen Pflichtteil (es besteht jedoch ein Noterbrecht). Je nach Konstellation und Bedürfnissen des Erblassers kann daher sowohl das eine als auch das andere Recht wünschenswert sein. Es empfiehlt sich eine zeitige Nachlassplanung.

Zudem spricht einiges dafür, aus Gründen der Rechtssicherheit eine Rechtswahl zu treffen (ggfls. auch in Form einer „negative Rechtswahl“, um die Annahme einer konkludenten Rechtswahl zu vermeiden), da der „gewöhnliche Aufenthalt“ sowie die „offensichtlich engere Bindung zu einem anderen Staat als dem des gewöhnlichen Aufenthalts“ auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe sind, bzgl. deren den Behörden ein Beurteilungsspielraum zukommt,

Eine positive Rechtswahl ermöglicht zudem den zukünftigen Erben, im Erbfall eine Gerichtsstandsvereinbarung zu treffen, mit der sie bestimmen können, dass für Entscheidungen in der Erbsache ausschließlich ein Gericht oder die Gerichte des Staates des gewählten Rechts zuständig sind, und nicht, wie ansonsten, die Gerichte des Mitgliedstaates, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. So können also beispielsweise in Deutschland lebende Kinder beim Versterben ihres zuletzt in Portugal wohnhaften deutschen Vaters – eine entsprechende Wahl deutschen Rechts vorausgesetzt – einen möglichen Rechtsstreit vor einem deutschen anstatt eines portugiesischen Gerichts beilegen.

Zu erwähnen ist noch, dass die EU-ErbVO auch Vorschriften zur Anerkennung und Vollstreckung von in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in Erbsachen sowie zur Einführung eines europäischen Nachlasszeugnisses (certificado sucessório europeu) enthält, welche grenzüberschreitende Nachlassangelegenheiten wesentlich erleichtern werden.